Am 31. Mai 1942 verhaftete die Gestapo im von Deutschland besetzten tschechischen Karlsbad während sei ner Kur den aus Elberfeld stammenden Maschinenzeichner Otto-Karl Hili. Man warf ihm vor, sich negativ über den stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, und die nationalsozialistische Judenverfolgung geäußert zu haben. Weil er als homosexueller Schutzhäftling eingestuft wurde, kam er in das Konzentrationslager (KZ) Sachsenhausen.
Schwer misshandelt verstarb er schon kurze Zeit später im November 1942. Seine Mutter in Wuppertal erhielt die Nachricht, er sei an einer Rippenfellentzündung gestorben. Als sie 1958 eine Entschädigung beim Regierungspräsidenten Düsseldorf wegen seines Todes im KZ beantragte, erhielt sie den Bescheid, dass der Grund seiner Inhaftierung der Verstoß gegen den Paragrafen 175 des Strafgesetzbuchs war und er deshalb als „Krimineller" und nicht als politisch Verfolgter gelte. Somit habe er keinen Anspruch auf Entschädigung.
Heute wirkt diese Tatsache aus der Nachkriegszeit schockierend. Nahezu vergessen ist, dass auch nach dem Ende des 2. Weltkriegs der berüchtigte Paragraf 175 noch Gültigkeit hatte - inklusive seiner Verschärfung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1935.
Der Remscheider Autor und Lokalhistoriker Johann Max Franzen, bekannt durch sein Buch über die Verfolgung und Vernichtung von Remscheider Vertretern des Politischen Widerstands in der Zeit des Nationalsozialismus, dokumentiert in seinem neuen Buch „Die Vergessenen aus dem Bergischen Land" das Schicksal von Otto-Karl Hili und 20 anderen Personen aus der bergischen Region. An sie erinnern neuerdings Stolpersteine des Aktionskünstlers Gunter Demnig.
Erst 1994 wurde das Gesetz zur Verfolgung homosexueller Straftaten endgültig aus dem Deutschen Strafgesetzbuch gestrichen. Seit 2017 haben homosexuelle Justizopfer die Möglichkeit zur Rehabilitierung und Entschädigung für erlittenes Unrecht, Gefängnisaufenthalte und Ermittlungsverfahren.
Der berüchtigte Paragraf 175, nach dem der Begriff „175er" für homosexuelle Männer in der Bevölkerung üblich war, ist hoffentlich Geschichte und die Erinnerung an das Leiden der Menschen, die unter diesem Strafgesetz seit 1871 in Deutschland - mehr noch seit der Verschärfung durch die Nationalsozialisten - gelitten haben, ist nahezu vergessen.
Ergreifend sind die sachlich geschilderten und durch Dokumente belegten Schilderungen ihrer erschütternden Lebenswege. Das Buch macht nicht nur das bedrückte, unfreie und immer gefährdete Leben von Menschen verfolgter Minderheiten deutlich, sondern gibt im ersten und letzten Teil einen Überblick über die Geschichte der Homosexuellen-Verfolgung seit dem Mittelalter und der Einführung des Paragrafen 175 im Preußischen und Deutschen Gesetzbuch mit all den unsäglichen, unaufgeklärten Deutungen der sexuellen Veranlagung.
So war Homosexualität früher eine zu bestrafende Sünde und ein Verbrechen; später wurde sie als „heilbare Krankheit" verstanden. Die engagierte Recherche des Autors hätte allerdings von Seiten des Bergischen Verlags Remscheid ein besseres Lektorat und Layout verdient.