Remscheid. Buchautor Johann Max Franzen hat sich die Schicksale homosexueller Männer erforscht, die in der Nazi-Zeit verhaftet, gedemütigt und getötet wurden. In seiner Dokumentation „Die Vergessenen aus dem Bergischen Land“, die nun im Handel erhältlich ist, hat er dabei auch den Lebensweg von Menschen aus Remscheid nachgezeichnet: Max Evertz, Hans Hagen, Alfred Sigismund, Max Penz und Hubert Jöbges wurden zunächst zu Haftstrafen verurteilt und starben danach in unterschiedlichen Konzentrationslagern unter qualvollen Umständen.
Zwei Jahre lang hat Johann Franzen an seinem Buch gearbeitet, Archive durchforstet, alte Unterlagen gesichtet. „Für mich schließt sich hiermit eine Lücke“, berichtet der 79-Jährige, der sich bereits mehrfach mit dem Schrecken des Nationalsozialismus befasst hatte. „EsistmeinfünftesBuch,nachdem ich unter anderem die Schicksale jüdischer Mitbürger und auch Widerstandskämpfer vorgestellt habe.“ Die Homosexuellen zählen aus seiner Sicht zu den „vergessenen Opfern“, dennnochweitnachdemKrieg sei ihre sexuelle Orientierung ein Tabuthema gewesen. Und: Entsprechende Handlungen wurden auch nach der Nazi-Zeit bestraft, was der Paragraf 175 regelte.
Johann Franzen spannt den Bogen vom Dritten Reich bis in die Bundesrepublik. Ein Beispiel dafür ist Hans Hagen, der 1904 in Lüttringhausen zur Welt kam. Er war laut Franzen ein sportbegeisterter Mensch. Neben seinem Beruf als Schlosser wirkte er beim BV 08 Lüttringhausen erst als Jugendobmann und dann als Vorsitzender. 1939 wurde er nach homosexuellen Kontakten verhaftet und vom Landgericht Wuppertal wegen „widernatürlicher Unzucht“ in drei Fällen zu einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt, die er im vollen Umfang abbüßte. Freiheit sollte er nie wieder erleben. 1941 wurde er aus Polizeigewahrsam ins KZ Sachsenhausen deportiert, wo er nach knapp zwei Monaten starb. Angebliche Todesursache: Herzund Kreislaufversagen.
1952 bemühten sich seine Mutter Johanne und seine Schwester Luzia, dass er als politisch Verfolgter anerkannt werden sollte. Hagen habe die wiederholten Aufforderungen, der NSDAP beizutreten, abgelehnt. Der Kreis-Anerkennungs- Ausschuss lehnte dies ab. Er sei als Homosexueller kein Verfolgter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Die Verbringung in ein KZ nach Verurteilung sei damals eine übliche „polizeiliche Sicherungsmaßnahme“ gewesen. „Die Diskriminierung ging in der Bundesrepublik bis zur Abschaffungdes Paragrafen 175 weiter“, erklärt Johann Franzen, der nach den Sommerferien Exemplare seines Buches in den Stadtbüchereien und weiterführenden Schulen abgibt. Dies werde durch die finanzielle Unterstützung der städtischen Kulturförderung und des Landschaftverbands Rheinland möglich. Sein Dank giltebensoStadtarchivarinViola Meike und Jürgen Wenke aus Bochum, der bei vielen Beiträgen mitgewirkt habe. Wie bei den Vorgängerbüchern sei es ihm wichtig, das Zeitgeschehen für nachfolgende Generationen festzuhalten. Seine Bücher sollen Jugendlichen vor Augen führen, dass sich das Grauen nicht irgendwo ereignete, sondern quasi vor ihrer Haustür. Daran erinnern auch die 180 Remscheider Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnungen der Opfer. Demnächst kämen weitere hinzu – unter anderem für Max Evertz, der an der Büchelstraße lebte. Er ist einer der Vergessenen, an die Franzen in seinem Buch erinnert.