Dienstagvormittag. Es ist Markt in Hülsenbusch. Die Einwohner des beschaulichen Örtchens im Oberbergischen schlendern trotz des nicht ganz so stabilen Wetters von Stand zu Stand, kaufen ein, plauschen. Man kennt sich. Und mittlerweile kennt man auch Sabine Katharina Wallefeld. Im Juni 2017 hat die Autorin und Malerin aus dem benachbarten Gummersbach hier ihr Künstlerhaus eröffnet. Nur einen Steinwurf vom Marktplatz vis-à-vis der Kirche entfernt. Viele nutzen die Gelegenheit und schauen auf einen Sprung herein, um die neuesten Werke der Künstlerin zu bewundern oder einfach nur hallo zu sagen.
Als wir ankommen, verlassen gerade zwei Besucher das Häuschen, und die nächsten sind schon im Anmarsch. „Wir wollten längst mal gekommen sein, jetzt haben wir die Gelegenheit genutzt.“ Eines der Mädchen hat schnell sein Lieblingsbild ausgemacht und zeigt auf ein Aquarell oben an der Wand. „Die Welle ist ja toll!“ Und damit sie sich immer wieder daran erfreuen kann, kommt das Motiv als Klappkarte mit nach Hause. Dem Mann, der nach ihrem Roman „Hinter dem Rot“ greift, sagt sie, dass der eher nichts für Männer ist. „Aber du kannst ja deiner Frau mal ein Buch schenken.“ Gesagt, getan. Während er schnell Geld holt, signiert die Autorin ihren Debütroman – das gibt es hier inklusive.
Stefan gesellt sich zu uns. Er lebt im Nachbarort mit dem bezeichnenden Namen Wallefeld, ist aber in Hülsenbusch aufgewachsen. Er erinnert sich noch daran, wie der ortsansässige Schuster Karthaus in diesen Räumen gewirkt hat. Auch einen Blumenladen hat das Haus mit dem kleinen Platz davor beherbergt und ein Ingenieurbüro, bevor es länger leer stand. Ihre Freundin in Hülsenbusch hatte Sabine Katharina Wallefeld, die lange von so einem Ort geträumt hat, gebeten, die Augen offenzuhalten. Und dann passte es auf Anhieb.
In Hülsenbusch also. Einem Dorf, von dem die Künstlerin begeistert ist. Schnell stellte sie fest, was für ein toller sozialer Zusammenhalt hier herrscht. Als der Ort ohne Bäcker dazustehen drohte, taten sich die Dorffrauen zusammen und führen den Betrieb nun gemeinschaftlich weiter. Vormittags ist geöffnet – und der Kuchen schmeckt hervorragend, wie wir kosten durften. Ein anderes Beispiel ist die Dorfkneipe, die schließen musste. Da man nicht auf diese für die Gemeinschaft so wichtige Einrichtung verzichten wollte, überlegten die Dorfbewohner, wie es weitergehen könnte. Nun führen sie die Gaststätte genossenschaftlich, und der Laden brummt. Regelmäßig finden hier Lesungen und andere Veranstaltungen statt und nicht selten stehen die Zuhörer bis auf die Straße. „Ich kann hier das kulturelle Leben nicht nur mitgestalten, sondern auch anregen. Das ist toll“, schwärmt die Autorin und Malerin.
Das war jedoch nicht von Anfang an so. Als die Künstlerin im Juni let ihr Kreativ-Refugium eröffnete, schlug ihr zunächst Skepsis entgegen. Nicht alle Einwohner konnten sich vorstellen, was hier geschehen soll, zu abstrakt schien das Vorhaben. Nur zwei Monate später hat sich das Blatt gewendet. Vor allem dienstags ist das Künstlerhaus Anlaufstelle. „Manche kommen vom Markt hierher, sehen ein Bild im Schaufenster und sagen: Das nehme ich. Das sind die Sternstunden“, so Wallefeld. Ältere Bewohnerinnen des Ortes wünschen sich mittlerweile hier Mal- und Schreib-Workshops, die Konfirmanden möchten unter Wallefelds Leitung eine Schreibwerkstatt ins Leben rufen. Und ein Lesekreis der Volkshochschule findet bereits in den Räumlichkeiten statt. „Ich fühle mich toll eingebunden, man kann hier etwas bewirken.“
Wenn man das Künstlerhaus Hülsenbusch betritt, scheint es, als würde sich die Künstlerin überwiegend der Malerei widmen. Ihre Aquarelle zieren die Wände, der Arbeitstisch ist übersät von halbfertigen Werken, Papieren und Farben. Verschiedene Motive hat sie als hochwertige Karten fertigen lassen, die im Drehständer auf Käufer warten. Aber natürlich sind auch alle Unikate käuflich zu erwerben. Auftragswerke gehören mittlerweile ebenso dazu – das bleibt wohl nicht aus, wenn man so auf dem Präsentierteller malt. Die Vorgaben variieren, manchmal beschränken sie sich auf das Format und die Farbpalette. Je freier, desto besser für die Künstlerin, in deren Werken immer wieder das Meer eine Rolle spielt.
Doch die Malerei steht nur scheinbar im Vordergrund. „Ich schreibe immer noch leidenschaftlich gern“, betont sie und fängt an zu erzählen. Sie schreibe am liebsten abends, wenn es ruhig wird im Ort. „Wenn du hier auf dem Sofa sitzt und auf die angestrahlte Kirche blickst, dann ist alles so friedlich. So lässt es sich schreiben.“ Ein neues Buch sei in Arbeit, aber sie ist der Meinung: „Ein richtig gutes Buch braucht ein paar Jahre.“ Wer ihren Debütroman gelesen hat, weiß, dass die Sprache in ihren Werken die Hauptdarstellerin ist. So feilt sie an ihren Formulierungen, immer und immer wieder. Ändert, streicht, ergänzt. Bis sie zufrieden ist. Gleichzeitig drängt sie ein neues Buch sehr. Jedoch soll es ganz anders werden als „Hinter dem Rot“. Es gehe in Richtung Künstlerroman, verrät Wallefeld, mit biografischen Elementen. Und philosophisch werde es. Das klingt vielversprechend.
Als wir gehen wollen, fragt unsere Gastgeberin, ob denn auch ihr Designerstift im Schaufenster fotografisch festgehalten sei. Sichtlich stolz erzählt sie, dass es nur drei Stück dieses überdimensionierten Schreibinstruments aus Holz gäbe; eins davon hätte seinen Platz im Kalligrafie-Museum. Und Kalligrafie ist ja das dritte Steckenpferd der vielseitigen Künstlerin. Auf dem kleinen Hof vor dem Künstlerhaus verabschieden wir uns und bedanken uns für den herzlichen Empfang. Wer in der Nähe ist, dem sei ein Besuch bei Sabine Katharina Wallefeld im Künstlerhaus Hülsenbusch ans Herz gelegt. Lässt sich übrigens auch gut mit einem Fahrradausflug kombinieren – am besten an einem Dienstagvormittag, wenn man sich auf dem Markt mit Kuchen oder Fischbrötchen stärken kann.