Mal heißt die Stadt „Radt Vor den Waldt“, dann „Raed vorm Walde“ oder „Raidt voor den Waldt“. Welche Stadt gemeint ist, dürfte klar sein. Doch auf den historischen Karten, die eine neue Publikation zur Regionalgeschichte nun präsentiert, ändern sich je nach Zeitalter und nach Kartograph die Ortsnamen beträchtlich.
Dr. Frank Berger, der aus Wipperfürth stammt und heute Kurator am Historischen Museum in Frankfurt ist, hat mit seiner neuen Veröffentlichung eine Lücke in der Forschung geschlossen. „Das Städtedreieck Wipperfürth, Hückeswagen und Radevormwald auf historischen Karten des 16. bis 19. Jahrhunderts – Ein Beitrag zur Kartographie des Herzogtums Berg“ lautet der Titel des Buches.
„Zu diesem Thema gab es bislang nichts“, erklärt der 64-Jährige, der in Frankfurt lebt, aber seiner bergischen Heim-stadt weiter verbunden ist, unter anderem als stellvertretender Vorsitzender des Heimat-und Geschichtsvereins (HGV). Das Buch stellt zugleich die Jahresgabe für die Mitglieder des Vereins dar.
Die Karten, die in dem Buch abgedruckt und kommentiert werden, stammen aus den Epochen von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert. Wer die Abbildungen erkundet und beispielsweise nach seinem Heimatort sucht, der stellt fest, dass die Karten oft nicht ausgerichtet sind, wie heutzutage üblich. Norden ist nicht unbedingt oben, am besten orientiert man sich an den Flüssen, die für die Kartenmacher anno dazumal die wichtigsten topografischen Anhaltspunkte waren. „Die Flüsse waren sozusagen das Skelett der Karten“, erläutert Dr. Frank Berger.
Für uns heute, die um die Welt jetten können, ist es schwer vorstellbar, wie beschränkt die meisten Menschen damals auf ihre Umgebung waren. „Wer einmal nach Köln gegangen ist, der hatte quasi schon die Welt gesehen“, sagt Berger. In einer Zeit, wo die Bevölkerung wenig mobil war, brauchte es die Karten, um überhaupt einen Eindruck von der weiten Welt dort draußen zu bekommen.
Geografisch präzise waren die alten Karten nicht immer, dafür bestechen sie teilweise durch ihre schöne Gestaltung. Anderen, etwa jener mit dem Vermerk „Descriptio Episcopa-tus Coloniensis“ (Beschreibung des Bistums Köln) sieht man ihr Alter an. Die Leser finden im Buch unter anderem Karten von großen Namen der Kartographie wie Sebastian Münster und Gerhard Mercator. Den Abschluss bildet die Preußische Generalsstabkarte auf der Zeit um 1850.
Ein großer Teil der abgebildeten Karten ist im Besitz von Frank Berger. „Manche befinden sich auch in Archiven in Düsseldorf oder Bonn oder im Bestand des Bergischen Geschichtsvereins“, sagt er. Rund drei Jahre hat der Wissenschaftler an diesem Buch gearbeitet. Dass die Zeit der Karten, die auf Papier gedruckt werden, allmählich vorbeigeht, ist ihm bewusst. Wir leben im Zeitalter von Google Maps und Geocaching, die gute alte Landkarte wird zum Liebhaberstück. „Ein halbes Jahrtausend lang diente sie als Orientierung für Reisende und Kaufleute, später als auch Hilfsmittel für Wanderer, Autofahrer, Radler und Touristen“, schreibt er. Natürlich waren Karten auch Arbeitsinstrumente für Verwaltung, Grundstückswesen, Stadtplaner und Wirtschaft.
Kartographie ist eigentlich nicht Frank Bergers Hauptarbeitsgebiet. Er ist Numismatiker, also Experte für historische Münzen. Geforscht und publiziert hat er unter anderem zur Datierung römischer Münzfunde. Seine Aufgabe als Kurator in Frankfurt umfasst jedoch nicht nur das Münzkabinett des Historischen Museums, sondern auch Waffen, Rüstungen, Modelle und Dioramen – das sind Schaukästen, die beispielsweise Landschaften darstellen.
Bergers Interessen gehen aber über die historischen Hilfswissenschaften, zu denen Numismatik und Kartographie zählen, hinaus. Er hat sich auch mit Polarforschung beschäftigt, vor allem mit der österreich-ungarischen Expedition unter Julius Payer und Carl Weyprecht in den Jahren 1872 bis 1874. Das damals erkundete Franz-Josef-Land am Polarkreis hat er selber besucht. „Auf einem russischen Eisbrecher.“