von Christiane Rahrbach
Der Termin mit Herrn Wunsch drohte fast zu platzen, denn ein 40 Tonnen schwerer LKW hatte am Morgen des verabredeten Tages das Dach seines Hauses touchiert. Und das bereits zum fünften Mal in anderthalb Jahren! Die Handwerker sind schon bei der Arbeit, als ich komme…
Ich muss mich bücken, als ich durch die Haustür trete und Herr Wunsch verhindert im Laufe meines Besuches noch das ein oder andere Mal, dass ich mir den Kopf stoße, in dem er mich immer wieder daran erinnert, diesen einzuziehen, weil die Decken und Balken teilweise sehr niedrig sind in seinem kleinen aber sehr wohnlichen Zuhause.
CR: Die Leserinnen und Leser des Bergischen Verlages kennen Sie vor allem als „offiziellen Burgfotografen und der Stadt Remscheid“ Wie schafft man es, dazu zu werden?
TW: Einige Politiker waren der Meinung, dass ich gute Fotos mache und dann haben sie mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könne, weil es bei verschiedenen Anlässen da immer ein bisschen gehapert hat mit den Fotos. So kam es dazu.
CR: Und gibt es dann einen offiziellen Vertrag mit der Stadt, in dem festgelegt wird, dass Sie immer gefragt werden müssen, wenn es etwas zu fotografieren gibt?
TW: Ja, es gibt tatsächlich einen Vertrag. Über die Jahre bin ich schon quer „durch´s Rathaus gewandert“, sprich, ich war schon in den unterschiedlichsten Abteilungen, beim Oberbürgermeister, in der Öffentlichkeitsarbeit, beim Katasteramt und dann beim Stadtmarketing und da bin ich heute immer noch.
CR: Und wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
TW: Oh, das hat schon ganz früh angefangen, Mitte der 80er Jahre. Ich habe keine klassische Ausbildung als Fotograf, sondern habe mir alles selbst beigebracht. Fotografieren war schon immer meine Leidenschaft. Ich hatte damals ein eigenes Fotolabor, in dem ich herumexperimentiert und mit den diversen Chemikalien hantiert habe. Den Entwickler hat man aus den Klamotten nie wieder rausbekommen (lacht). In den 90er Jahren bin ich viel mit meinem damaligen besten Freund herumgezogen, der Fotojournalist in Solingen war und habe viel mitbekommen und mir abgeschaut.
CR: Ich habe mich gefragt, wieviel denn eigentlich Begabung und künstlerisches Auge ist bei einem guten Fotografen und wieviel das Lernen von Fachwissen über Belichtung, Blenden, Kameraeinstellungen, etc.
TW: Genau, das ist ja das, woran es bei den meistern hapert: Wie stelle ich meine Kamera wann ein? Also ich weiß das mittlerweile im Schlaf. Wenn ich rausgucke, weiß ich, ich brauche die Blende 5/6 mit einer 400er ISO bei einer Belichtungszeit von 125. Und das stimmt dann auch. Das ist Erfahrung! Ich werde oft gebeten, Workshops anzubieten, in denen ich dieses Wissen vermittle aber das kann man sich besser über Tutorials im Internet aneignen. Und anschließend „learning by doing“ - durch Fehler lernt man.
Und das Wunderbare an der digitalen Fotografie ist ja, dass man seine Fehler sofort sieht. Früher musste ich erst den Film entwickeln (lassen). (Die schwarz-weiß Bilder habe ich selbst entwickelt.) Wie man einen Film selbst entwickelt, welche Chemikalien wann zum Einsatz kommen - all das habe ich mir bei anderen abgeschaut und dann einfach ausprobiert.
CR: Ist für Sie als Fotograf die Digitalisierung also nur positiv oder ist die Flut an Bildern, die jeder immerzu mit seinem Handy macht und veröffentlicht, ein Ärgernis für Sie?
TW: Nein, ich finde es großartig, dass die Leute so selbst lernen können. Für mich als Fotograf spielt das keine Rolle, entweder man ist gut in seinem Job oder schlecht. Und wenn man gut ist, dann muss man hierin keine Konkurrenz sehen. Natürlich beschleunigt die Digitalisierung alles. Wenn ich bei einem Kunden Fotos gemacht habe, dann will er die natürlich sofort haben. Wenn man Bilder bei einer Veranstaltung gemacht hat, dann sollte man am besten den Rechner schon dabei haben um die Fotos gleich nachzubearbeiten. Was ich früher im Labor bei der Entwicklung gemacht habe, das mache ich heute am Rechner, nur mit mehr Möglichkeiten.
CR: Sie sagten, Sie haben nie eine klassische Ausbildung gemacht. Stand denn nie zur Debatte, etwas „Anständiges“ zu lernen?
TW: Oh doch, das habe ich ja. Ich habe zwei Berufe gelernt. Ich bin technischer Zeichner und außerdem Graveur. Aber in diesem Beruf habe ich nie gearbeitet. Ich habe immer das gemacht, was mir Spaß machte. Angefangen habe ich mit Zeichnen, die Fotografie war erstmal nur mein Hobby. Ich war Comiczeichner und Illustrator und habe auch für große Verlage gearbeitet, für den Heinrich Bauer Verlag z.B., auch für den Playboy. Viel auch in der sogenannten „Schmuddelecke,“ da komme ich ja bis heute nicht von los (grinst).
CR: In Ihrem neuen Buch „Bestandsaufnahme“ geht es ausschließlich um die Stadt Remscheid und ihre Bewohner. Sind Sie selbst jemals aus Remscheid weggewesen?
TW: Nur kurzzeitig aus beruflichen Gründen, aber ich habe nie woanders gelebt. Ein toller Ort, um in die Welt zu starten, das ist Remscheid.
CR: Als ich das Buch kurz vor der Drucklegung noch einmal korrekturgelesen habe, ist mir aufgefallen, wie oft die von Ihnen portraitierten Menschen das Wort Heimat im Zusammenhang mit Remscheid genannt haben. Das war schon inflationär.
TW: Ja, es handelt sich ja auch wirklich um eine Bestandsaufnahme. Das heißt, ich wollte tatsächlich darstellen, was die Leute denken und wie die Stadt ist, unabhängig davon, ob das nun schön oder angenehm oder freundlich rüber kommt. Die Menschen, die in einer Stadt leben, machen diese aus.
CR: Also denken Sie, dass „der Remscheider“ tatsächlich so heimatverbunden ist?
TW: Ja, ganz sicher. Und auch irgendwie derber, burschikoser als vielleicht „der Wuppertaler“. Wir liegen ja höher, vielleicht hat es etwas mit der Luft und der Sauerstoff-Zufuhr zu tun… (lacht)
Mit den Remscheidern muss man einfach umgehen können.
CR: Was finden Sie selbst schön an Remscheid?
TW: Ich liebe die Landschaft hier. Wenn man Remscheid mal von oben gesehen hat, also ganz oben auf dem Rathaus steht und runterschaut, dann sieht man, wie grün es hier ist. Und die Lebensqualität ist auch gut. Wir sollten zufrieden sein.
CR: Sie werden in diesem Jahr 50. Was bedeutet dieses Alter für Sie? Können Sie sich nun ein bisschen zurücklehnen und auf das zurückschauen, was Sie erreicht haben?
TW: Auf keinen Fall, ich bin ein Arbeitstier und Workaholic. Ich muss immer was zu tun haben. Wenn ich sonntags auf dem Sofa sitze, halte ich das nur eine Stunde aus, dann schnappe ich mir die Kamera und ziehe los. Vielleicht ist das eine Art Torschlusspanik – noch mehr erreichen zu wollen. Aber so war ich schon immer, rastlos und ungeduldig.
CR: Werden Sie den Tag groß feiern?
TW: Nein, am liebsten würde ich auswandern für diesen Tag. Ich habe meinen Geburtstag noch nie groß gefeiert.
CR: Auf der Website des Bergischen Verlages steht über Sie: „Auf seinem Weg probierte er vieles aus – fast alles drehte sich um die Fotografie – und fand bald heraus: Um glücklich zu sein, musst du das machen, was du wirklich willst.“ Was bedeutet das genau? Sich nie irgendwelchen äußeren Zwängen zu unterwerfen?
TW: Für mich gilt das so. Ja. Das ist mein Weg. Dadurch verdient man nicht viel Geld, aber nur dann bin ich glücklich. Geld scheffeln wollte ich nie, ich brauche nicht viel zum Leben. Aber natürlich habe auch ich schon Aufträge angenommen nur des Geldes wegen. Hochzeitsfotos z.B., aber das mache ich nicht gern, alles in mir sträubt sich dagegen und ich vermeide es, wenn ich kann.
Im Anschluss an das Interview zeigt Herr Wunsch mir noch sein Arbeitszimmer und den Bereich, in dem er alle Utensilien für seine „Shoots“ aufbewahrt. Hier sind die Decken noch niedriger als in der unteren Etage und ich stoße mir trotz der vielen Warnungen den Kopf… ;-)