Logo Bergischer Verlag

Schmutziger Tod: Rezension aus „Musenblätter“

Musenblätter: 25.10.2017


von Frank Becker

von Frank Becker

Der Dioxin-Umweltskandal von 1976 im italienischen Seveso gehört zu dem schlimmsten menschengemachten Umweltkatastrophen Europas, und die damalige Vertuschungs-Aktion des verantwortlichen Schweizer Pharma-Konzerns Hoffmann-La Roche und seiner Sub-Firmen zählt zu den übelsten Versuchen einer mächtigen Industrie, ihre Verantwortung um den Preis von Leben und Gesundheit der Betroffenen Bevölkerung von sich abzuwälzen.

Auf diesem verseuchten, schmutzigen Boden siedelt Jürgen Kasten seinen neuen Kriminalroman an, der – so viel schon hier – nach „Grüße aus dem Jenseits“ (2012), „Absturz in Fahrtrichtung rechts“ (2013) und „Tödlicher Reis“ (2015) – sein bisher bester und engagiertester geworden ist.

Es beginnt mit der misslungenen Nacht- und Nebel-Aktion des Fuhrunternehmers Kalle Schurigel und seines neuen Fahrers Günther Kötter, zwanzig Cyanid-Fässer auf einer illegalen Deponie in Wuppertal-Ronsdorf abzukippen. Schurigel vergiftet sich dabei, schlägt den korrupten Polizisten Meier nieder, der eigentlich die Deponie bewachen soll und bricht kurz darauf mit Erstickungs-Symptomen an der Autobahn-Raststätte Remscheid zusammen.

Dass er kurz danach bei seiner Flucht aus dem Krankenhaus tot zusammenbricht und sein Fahrer Kötter in Kalles Wohnung von einem finsteren Zeitgenossen „zur Warnung“ ins Knie geschossen wird ist nur der Anfang eines verzwickten Falles für Hauptkommissar Murat Cenk, seinen neuen Chef Faber, seine neue/alte geschätzte Kollegin Caroline „Cora“ Beckers und seinen zum LKA nach Düsseldorf versetzten Freund und Kollegen Schlupkothen. Welche Rolle die höchst attraktive neue Polizeipräsidentin Ilona Zurwege bei dem Ganzen einnimmt, entwickelt sich im Lauf des ereignisreichen Geschehens, in das der Autor spannend und sehr unterhaltsam eine ganze Palette von Verbrechen und interessanten Charakteren wie den fiesen Leiter des Wuppertaler Umweltamtes Jens Malinkotte und den aalglatten Groß-Spediteur Geerd Zurwege (inkl. humoriger Seitenhiebe, denken wir nur an den Museumsleiter Dr. Zeisig) packt.

Denn Jürgen Kasten, ausgewiesener Fachmann und intimer Kenner der beschriebenen Mord- und Umweltverbrechen, weiß, wovon er spricht. Tatsächlich war Wuppertal (oder ist es gar noch?) in den 70ern und 80ern ein Tummelplatz der italienischen Mafia, Tatsächlich wurde 1980 der Mafia-Boss Arcangelo M. aus dem Gefängnis Bendahl freigesprengt und tatsächlich gab es Skandale um Giftmüll in der Bergischen Metropole.

Geschickt verbindet er mit Rückblenden und ohne Schickschnack den großen Dioxin-Skandal von Seveso von 1976 mit der fiktiven Handlung des heute im Bergischen Land und Düsseldorf spielenden äußerst spannenden und an keiner Stelle schwächelnden Romans.

Jürgen Kasten knüpft nachvollziehbare Fäden zwischen Transport-Logistik-Unternehmen, kriminellen Strukturen der Wirtschaft, Regierungsbehörden und Umweltämtern, wobei Korruption, Vetternwirtschaft, Erpressung und Mord zum Tagesgeschäft gehören. Wer gestern Abend auf dem Sender arte die Dokumentation über die von der Mafia ('Ndrangheta) kontrollierte kriminelle Giftmüll-Entsorgung in Kalabrien gesehen hat, weiß dass Jürgen Kasten den Finger in eine offene Wunde legt, ohne auch nur im Geringsten zu übertreiben.

Herausgekommen ist ein Roman, den ich ohne abzusetzen oder ans Mittagessen zu denken in zweieinhalb Stunden verschlungen habe. Davon hätte ich gut und gerne noch weitere 192 Seiten vertragen können – und kann ihn vorbehaltlos empfehlen.